Heute wurde ich gefragt, ob der Schweiz die Corona-Situation schon so weit entglitten ist, dass ein zweiter Lockdown unumgänglich sein wird. Ein paar Gedanken dazu.
In der Schweiz hat man seit Ende April nur noch darüber diskutiert, in welchen Bereich man die Corona-Massnahmen auch noch lockern könnte. Alles drehte sich um dieses eine Wort – „Lockerung“. Der Tourismus, Clubbesitzer, die Eventbranche und Sportvereine/Sportverbände, alle drängten. Also ging es immer weiter mit den Lockerungen. Per 1. Oktober durften wieder mehr 1000 Leute an Grossveranstaltungen teilnehmen. Und die Leute gingen tatsächlich wieder in die Stadien. Das zeugt nicht gerade von viel Selbstverantwortung.
Gleichzeitig stiegen die Fallzahlen von Tag zu Tag. Wissenschaftler haben immer vor dieser Entwicklung gewarnt. Niemand hat auf sie gehört. Alle, die an den Hebeln der Macht hocken, befanden sich in diesem Lockerungswahn.
Heute (26. Oktober 2020) stellen wir fest: mehr als 17400 Ansteckungen übers Wochenende. Diese Entwicklungen haben Isabella Eckerle, eine Professorin und Virologin, zu diesem Tweet veranlasst:
Auf gut Deutsch: Die Schweiz braucht einen Lockdown so schnell wie möglich. Es gibt keinen anderen Weg. Okay, es gibt verschiedene Härtegrade eines Lockdowns. Man kann ein paar Fitnessstudios und Clubs schliessen oder die ganze Gesellschaft nochmals auf Sparflamme setzen. Eckerles Tweet hat darum schon eine gewisse Unschärfe.
Doch:
Leider ist Professorin Eckerle nicht ganz allein mit ihrer Einschätzung. Christian Althaus, eine Schweizer Epidemiologe, twitterte:
Im Klartext: Ausgerechnet die Schweiz, der man sonst geordnete Verhältnisse attestiert, hat es vermutlich verbockt.
Bisher hat die Coronakrise den Staat gut 30 Milliarden gekostet. Behaftet mich nicht auf die Zahl, die ich vielleicht nur halbwegs richtig im Kopf habe. Gesagt ist aber: Der erste Lockdown hatte einen irrsinnig hohen Preis. Das Geld ist dabei nur das eine. Manche Menschen hat es auch psychisch schwer getroffen. Alle mussten die Zeit mehr oder weniger ohne ihre Nächsten verbringen. Und jetzt soll man ihnen erklären, dass wir heute wieder soweit oder sogar noch schlimmer dran sind als im März? Das ist zynisch, finde ich.
Was macht die Regierung? Sie wartet ab. Nächsten Mittwoch will man entscheiden. Das sind nochmals zwei Tage, die einfach so ins Land ziehen. Hallo?! Das Virus geht nicht freiwillig. Man muss schon etwas dagegen tun. Die Zeit ist entscheidend – und sie läuft.
Immerhin ein Lichtblick: In vielen Kantonen gelten bereits verschärfte Massnahmen. Gut so! Es zeigt aber auch: De facto befinden wir uns bereits im zweiten Lockdown.
Kampf gegen das Coronavirus – Corona-Massnahmen: Das sind die Regeln in den Kantonen